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• • • Velvet Blue - Testbericht

Ein kleiner `Velvet blue` Testbericht.

Vorgeschichte.

Velvet Saiten scheinen zu polarisieren, hier wird darüber geschimpft, dort werden die Saiten über alles gelobt. Meistens auch noch pauschal über `die Velvets`. Darüber hinaus steht überall Widersprüchliches über diese Saiten: z.B.::Garbo Gut Core hat keinen Darmkern? Einige Sätze sind glatt auf der Oberfläche, andere mit Runddraht besponnen? Die Saiten halten Jahre lang, einige brechen schon nach ein paar Tagen? Sie lassen sich gut streichen oder gar nicht streichen? Sie sind viel lauter als andere Saiten oder doch nicht? usw.
Lediglich begriffen habe ich, daß die Saiten EADG etwa alle gleich dick sind.
Und: „Dä Nooch-Tääil is doo Prääß“ - wie man im Vogtland sagt (=der Nachteil ist der Preis).
Sie sind teurer als die Vielzahl der angebotenen Alternativen anderer Firmen.
All das hat mich bisher davon abgehalten, mich näher mit Produkten der Firma Velvet zu beschäftigen. In den vergangenen drei Jahren habe ich zwei mal Bässe mit Velvet-Besaitung kurz angespielt (Instrumente von Kollegen hinter der Bühne), einmal mit glatten Saiten und einer monströs hohen Saitenlage und einmal mit klebrigen, dreckigen Runddraht-besponnenen Saiten, ebenfalls mit einer Saitenlage, die keine Daumenlage mehr zuläßt.
Ich war nicht begeistert.
Geht man auf die Homepage der Firma wird ebenfalls so gut wie nichts erklärt, nicht mal Fotos der unterschiedlichen Saitensätze sind dort zu sehen und die Beschreibungen der Sätze sind wenig aussagekräftig. Der neue Saitensatz BLUE, den ich hier besprechen werde, ist auf der Homepage garnicht zu finden, ob wohl er schon seit etwa einem halben Jahr im Handel ist (Stand: Januar 2009).

Nun gibt es also VELVET BLUE, der Satzpreis liegt preislich im Mittelfeld auf der selben Höhe mit Prestos, Balance, Corellis, Obligatos, Helicores, Spirocores usw.
Das war mir ein Versuch wert, also habe ich mir diesen Satz gekauft.

Bezahlen, Auspacken, Aufziehen.

Erste Überraschung: Die Saiten BLUE haben nicht alle den selben Durchmesser, sondern ganz wie gewohnt, die E-Saite die dickste, die G-Saite die dünnste.
Sie kamen vacuumverpackt mit einem Zettel:

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Ich habe keine Ahnung, weshalb ich das „important certificate to keep!!!!“aufbewahren soll, weiter lag nichts zur Erklärung bei.

Saite und Setup.

Die Saiten konnten mit den patentierten Schlaufen (?? so werden Darmsaiten doch seit Jahrhunderten aufgezogen) schnell und problemlos auf meinem Bass installiert werden und waren in relativ kurzer Zeit stimmstabil.Irgendwo habe ich auch gelesen, daß dem Satz eine spezielle Einhängesaite für den Saitenhalter beigelegt wird, aber bei mir war nichts dergleichen dabei.

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Nicht so dünn wie Corellis und nicht so dick wie Prestos (medium) fühlen sie sich von der Spannung geringfügig härter an als Darmsaiten (z.B.:Pirastro Chorda, Pirastro Pizzicato), aber viel weicher als Stahl- und Kunststoffkernsaiten (z.B.:Spiros und Obligatos).
Ich weis nicht, woraus der Saitenkern besteht, aber im Internet habe ich irgendwo gelesen, daß es ein Kunststoffkern sei (jemand bei `talkbass` hat das behauptet). Nun gut, die Umspinnung ist aus Kupfer, das kann man sehen. E- , D- und G-Saite glattgeschliffen und – ich weis nicht warum – die A-Saite ist nicht so glatt, siehe Foto:

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(Sorry, die Fotos habe ich mit einer einfachen Handy-Kamera und einer Lupe gemacht, aber ich glaube, man kann erkennen, worum es geht).
Angeblich soll man die Velvet-Saiten - und damit auch die BLUE - wegen des Schwingverhaltens mit hoher Saitenlage spielen – das höre ich auch immer wieder über Darmsaiten.
Ich bin Darmsaitenfan und verwende für Sätze wie Pirastro Pizzicato, Pirastro Chorda, Lenzner Classic bei einer gut gearbeiteten Hohlkehle (tiefster Punkt: c.a. 3,5mm) eine relativ niedrige Saitenlage von E = c.a. 9mm bis G = c.a. 6mm und habe damit auch, wenn ich mal richtig grob und laut werde, gute Erfahrungen gemacht.
Das geht auch mit den BLUE, lediglich die E-Saite scheppert manchmal ein wenig.

Klang:

Alle vier Saiten sind sehr ausgewogen untereinander, das betrifft sowohl den Klang, das Sustain, die Ansprache sowie die Lautstärke.

Slap:

Sorry, im Slappen bin ich inkompetent, da müßte ein Fachmann etwas dazu sagen.

Arco:

Ich bin kein Klassik-Bassist, kann also nichts zur Orchester- und Kammermusiktauglichkeit dieses Satzes sagen. Einen `Paul Chambers – Sound` mit dem Bogen bekomme ich aber auf den oben genannten Darmsaitensätzen und auch auf den von mir so geliebten Pirastro Pizzicatos gut hin. Und auf den BLUE ebenfalls. Und zwar sofort und ohne große Umstellung der Bogentechnik. Die BLUE verhalten sich ein wenig anders in der Bogenansprache, als ich es von anderen Sätzen gewohnt bin: sie fordern wenig Bogendruck und in der Daumenlage noch weniger Bogendruck.
Die Wärme von Darmsaiten haben die BLUE nicht. Dafür aber weit mehr Wärme als so manche Stahlsaite, die auch in Orchestern gestrichen wird, wie Pirastro Flat-Chromesteel oder sogar Thomastik Spirocore.

Pizz:

Kommen wir nun zur Königsdisziplin der BLUE, ich vermute, als Pizzicato-Saite ist dieser Satz auch konzipiert.
Die Saiten sprechen sehr schnell und laut an (und haben auch bei schwachem Pizzicato schon eine gute Lautstärke), verfügen über ein sehr gutes Sustain und eine gute Dynamik-Bandbreite, weit größer als bei Stahlseilkernsaiten oder Kunststoffkernsaiten. Lediglich an die Dynamikspitzen, die man mit guten (und dreimal so teuren) Darmsaiten erzeugen kann, kommen sie nicht ganz heran.
Die Lautstärke erscheint dort, wo wir Bassisten unser Instrument hören – also neben der Schnecke – enorm, sowas habe ich noch mit keiner Saite erlebt. Mit den BLUE wird einfach mehr Luft bewegt, das Instrument schwingt mehr. Im Band-Kontext zeigt sich dann, daß ich mich etwas besser höre als mit Darm-Saiten, ansonsten aber lautstärkemäßig auf dem Niveau von Darmsaiten befinde. So möchte ich den Velvet-Werbespruch, daß man mit Velvet-Saiten gegen einen Schlagzeuger akustisch bestehen kann, etwas relativieren: Mit den BLUE kann man pizzicato dieselben Lautstärkegrenzen des Instruments erspielen, die bisher nur mit (dreimal so teuren) Darmsaiten möglich waren.
Zum Klang: Auf Herve Jeanne´s Saitenmatrix kann man die Velvet Garbo und Velvet Anima hören.
Velvet BLUE klingen ganz anders, bei weitem nicht so dumpf, viel mehr Sustain und sie entlocken meinem Bass eine Fülle von Frequenzen, die ich vorher kaum wahrgenommen habe.
Mir fällt hier eine treffende Beschreibung sehr schwer, da die BLUE anders klingen, als alles, was ich bisher auf meinen Instrumenten gespielt habe.
Ein Versuch: modern, mehr nach Bass, mehr nach Kontrabass.
Aber Bassisten, die mit der empfohlenen hohen Saitenlage spielen, kommen unter Umständen zu ganz anderen Ergebnissen.

Nachteile:

Kupfer. Oxidiert, wird klebrig, macht bei einigen Menschen bei Handschweiß grüne Finger.
Bei Runddrahtbespinnungen mit Kupferdraht hat sich seit Jahren statt der Versilberung des Kupferdrahtes (die ja – je nach Qualität - schnell wieder abgerieben ist) die Verwendung von blattversilbertem Kupferdraht bewährt (funktioniert ähnlich wie `Blattgold`). Besonders bei Konzertgitarren-Saiten sind damit gute Erfolge in Sachen Klangverbesserung und Haltbarkeit erzielt worden. Das funktioniert aber leider nicht bei Kupferdrahtbespinnungen, die – wie bei den Velvet BLUE – hinterher geschliffen werden.
Da wäre noch mal ein Erfindergeist erwünscht, der die geschliffene Kupferoberfläche so präparieren kann, daß eine Oxidation ausgeschlossen werden kann, ohne die klanglichen Eigenschaften der BLUE zu beeinflussen.

Vorteile:

Mein persönlicher Lieblingssatz für Studio und zu Hause ist immer noch der Pirastro Pizzicato. Aber im `Outdoor-Einsatz` ist der Pirastro Pizzicato Satz wegen der Darmkern-typischen Eigenschaften – Temperatur- und Feuchtigkeitsempfindlichkeit – manchmal nur bedingt einsetzbar.
Und er kostet dreimal so viel wie ein Satz Velvet BLUE.

 
Im preislichen Mittelfeld (beim googeln habe ich einen Händler gefunden, der einen Satz Velvet BLUE für 120€ anbietet) haben wir hier einen neuen Saitensatz mit hervorragendem Preis-Leistungs-Verhältnis und mit beeindruckenden individuellen Klang-Qualitäten – besonders im Pizzicato.
Ich hoffe, Velvet BLUE wird viel gespielt und getestet – es lohnt sich!
Eine echte Alternative zu (teilweise viel teureren) Stahl- und Darmsaiten.

Fehlt was?

Ja.
Erstens: Velvet BLUE sind neu auf dem Markt und mein Satz ist gerade ein paar Wochen alt, ich kann daher noch nichts über die Haltbarkeit aussagen.

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Zweitens: Dies ist ein freiwilliger Beitrag für GEBA-online, ich bekomme dafür kein Geld oder sonst etwas und ich habe zu der Firma Velvet keine geschäftliche oder private Verbindung.

 

© 2009 by Jan Hengmith

 

Nachtrag:
Ich habe mit dem Hersteller der Saiten Kontakt aufgenommen.
Die A-Saite wird inzwischen mit genauso glatter Oberfläche wie die anderen Saiten hergestellt, ich bekam umgehend  Ersatz.
Neben vielen interessanten und nützlichen Informationen des Herstellers über die Saiten ist es vielleicht noch interessant zu erwähnen, daß der Kern der BLUE aus Textilfaser besteht, weshalb der Satz günstiger als die anderen Velvet-Sätze (die einen reinen Naturseiden-Kern haben) angeboten werden kann.



Zuletzt aktualisiert von Ceperito am 16.02.2009, 19:06:59.